Es ist noch mitten in der Nacht, zumindest gefühlt, als bei uns, also Dorothea, Babette, Friedrich, Josef, Eric und Katharina, der Wecker klingelt.
Und noch stockduster als wir dann endlich alle in Erfurt am Bahnhof stehen. Dabei hat jeder von uns einen großen, schweren, unhandlichen Rucksack. Darin ist unser Zuhause für die nächsten 2 Wochen und alles was man sonst noch so zum Leben braucht.
Es ist der 19.08.2012, 6:15 im Erfurter Bahnhof.
6 sehr aufgeregte und noch etwas müde Pfadfinder machen sich auf eine Abenteuerreise, von der keiner so richtig einen Plan hat, ob überhaupt etwas funktioniert, aber wenn nicht müssen wir eben improvisieren, darin sind wir uns schon mal einig.
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Es soll nach Polen gehen, in ein gewisses Sczecinek, von dem keiner von uns weiß, wie genau es nun auszusprechen ist. Pommersche Seenplatte, so lässt sich unser Ziel besser beschreiben. 2 Wochen werden wir unterwegs sein, unser Zuhause: eine Kothe und der Wald.
Wir steigen in den Zug, den wir phänomenaler weise schon mal nicht verpasst haben. Über Berlin, Angermünde, Stettin und weitere unbekannte Städte und Dörfer reisen wir 8 Stunden bis wir schließlich in Sczecinek, zu Deutsch Neu-Stettin, ankommen. Doch es wäre ja langweilig wenn alles glattginge….
So kommt es, dass die Hälfte der Gruppe an einem Bahnhof der zwar auch etwas mit Sczecinek heißt, aber nicht unser Zielbahnhof ist, übereilt aus dem Zug springt, während die andere Hälfte feststellt, dass es der falsche Bahnhof ist. Der Zug fährt wieder an, allerdings nur mit 3 von uns im Zug. Wir brüllen den Bahnsteig entlang und tatsächlich hört der Zugführer uns, hält und öffnet die Türen wieder. Wie gut, dass uns das nicht in einem deutschen Zug passiert ist…
Angekommen, laufen wir los um uns einen Lagerplatz zu suchen. Den finden wir auch, nachdem wir durch Morast, über eine Kuhweide und um einen halben See gelaufen sind.
Uns allen tut der Rücken weh, da keiner es gewohnt ist, mit so viel Gepäck zu wandern. Nach einer kurzen Erfrischung im See gibt’s etwas zu essen, natürlich auf einem Lagerfeuer gekocht, und dann schlafen wir unter dem Sternenhimmel ein.
Motiviert brechen wir am nächsten Morgen auf. Und schon stehen wir vor dem nächsten Problem: Wir müssen Wasser holen. Keiner von uns spricht mehr als 3 Worte Polnisch. Wir finden einen Hof und jemanden, der schließlich versteht was wir wollen, nachdem wir ihm unsere leeren Flaschen hingehalten haben und taten als ob wir daraus tranken.
Selbst ein wenig Regen und Verlaufen kann unsere Laune nicht trüben. Vorerst.
Da wir beschlossen haben auf eine Uhr zu verzichten und es noch hell ist entscheiden wir noch ein Stück zu laufen…Wir kommen in einen Wald und suchen uns eine Abkürzung, die uns geradewegs….in ein Moor führt. Und selbst mit Karte und Kompass brauchen wir bis ins Abendrot bis wir wieder aus dem Wald herausgefunden haben. Nun müssen wir nur noch einen Lagerplatz finden und Wasser holen. Also ziehen 3 los um ein Haus zu finden, und die andere Hälfte sucht einen Lagerplatz. Beides finden wir und als wir die Kothe aufgebaut und gegessen haben, fallen wir nur noch in unsere Schlafsäcke.
Am nächsten Tag lassen wir es ruhiger angehen, auch aus dem Grund, dass fast alle dicke Blasen an den Füßen haben. Aber so langsam gewöhnen wir uns an die Last auf unseren Rücken.
Da wir am nächsten Tag einen Ruhetag einlegen wollen, suchen wir uns an diesem Tag einen Lagerplatz direkt am See, wo wir 2 Nächte bleiben. Wir waschen uns und unsere Sachen, nehmen uns vor dringend etwas polnisch zu lernen(und tun es dann doch nicht….), gehen einkaufen, was uns zunehmend Spaß bereitet, da es in Polen in den kleinen Dörfern nur Tante Emma Läden gibt, wo man sagt, was man haben möchte und da wir das nun mal nicht sagen können, müssen wir eben darauf zeigen, was immer zu viel Gelächter von uns und auch von den meisten Verkäufern führt.
Langsam entwickelt sich auch eine Verständigung in der Gruppe, die dazu führt dass gewisse Dinge nicht mehr geklärt werden müssen. So bilden sich immer schneller eine Koch- und eine Kothenaufbaugruppe, beim Essen verstehen wir auch ohne Worte, wer was haben will und insgesamt wächst unsere Truppe zu einem wunderbaren Team zusammen.
Gestärkt und erholt machen wir uns am nächsten Tag auf den Weg. Wir genießen das warme Wetter und die Sonne, die uns bis jetzt sehr oft erfreute. Doch an diesem Tag ist sie uns von Nachteil, da ungefähr nach der Hälfte der Strecke Katharina einen Sonnenstich bekommt und irgendwann klar wird, dass wir so nicht mehr weiterkommen, doch wir sind mitten in der Prärie, nur ein einziges Haus weit und breit. Doch wiederum haben wir unbeschreibliches Glück. Wir machen den Bewohnern irgendwie verständlich, dass sie uns ins nächste Dorf fahren sollen und sie sagen zu. Ein grimmig dreinblickender Mann setzt uns ein einen Kleintransporter in dem es hinten keine Sitze gibt und so kugeln wir auf der Fahrt übereinander, kreuz und quer, da der Fahrstil des Mannes nur als rasant beschreibbar ist.
Im nächsten Dorf angekommen fahren wir mit dem Bus weiter und suchen uns unsere Schlafstätte…auf einem Campingplatz. Am nächsten Tag soll unsere dreitägige Kanutour beginnen und wir haben uns mit dem Verleiher auf dem Campingplatz verabredet.
Doch er kommt nicht. Wir warten und warten und es regnet, aber unsere Sachen bleiben trocken, weil wir ja alles wasserdicht verpackt haben. Endlich kommen die Kanus und wenig später sitzen wir den Kanus und machen uns auf den Weg. Doch wirklich vorwärts kommen wir anfangs nicht. Steuerprobleme und Wind jagen uns kreuz und quer über den See und lassen uns fast verzweifeln, doch auch das meistern wir und bald sind wir auf dem Fluss, der Drawa, der sehr viele Kurven hat, wo wir mit größter Begeisterung auf gefühlt jeder Landzunge aufsetzen.
Abends finden wir einen schönen Lagerplatz und wärmen uns erst einmal am Feuer auf, da wir vom Wasser von oben und unten ganz schön durchnässt sind.
Am nächsten Tag steht eine Feier an. Ein 18. Geburtstag in unserer Mitte und so kommen wir alle in den Genuss von Kuchen aus einem Einmachglas.
Als es beginnt dunkel zu werden, kommen wir allerdings in arge Bedrängnis. So weit das Auge blickt, gibt es nur Schilf zu sehen. Was anfangs amüsant war, beginnt sich nun zu einem echten Problem zu entwickeln, da wir nirgends aus dem Fluss rauskommen und demnach nicht lagern und kochen können. Irgendwann befreien wir uns dann doch und beschließen diese Nacht unter dem Sternenhimmel zu verbringen. Deshalb haben wir nur 2 kleine Lokomotiven (kleine Behausungen aus Kothenbahnen) für unser Gepäck aufgebaut. Als es dann aus heiterem Himmel ganz schön zu regnen beginnt, müssen wir darin allerdings selbst Platz finden, was gar nicht so einfach ist. So verbringen wir eine äußerst beengende, aber glücklicherweise trockene Nacht.
Der nächste Tag, unser letzer Kanutag, gestaltet sich wenig anders. Viel Schilf und viele Kurven, dadurch kommen wir nicht bis zu unserem angepeilten Ziel. Wir steigen aus dem Fluss, kämpfen uns durch ein Meer von Brennnesseln und sehen in der Ferne eine Stadt. Welche es ist? Woher sollen wir das wissen? Also bringen wir das schnellstmöglich in Erfahrung, da ja die Kanus abgeholt werden müssen. Wir finden heraus dass es die Stadt ist, wo wir eigentlich hinwollten, nur dass wir nicht dachten schon so weit zu sein. Schließlich stehen wir da mit unseren Rucksäcken und müssen zu ebendieser Stadt, da wir kein Wasser mehr haben. Der Weg dorthin ist kürzer als gedacht, doch dann müssen wir ja noch einen Platz für die Nacht finden, also machen wir uns auf die Suche nach dem Campingplatz. Wir sind alle sehr erschöpft und inzwischen ist es auch schon dunkel. Wir halten einen Autofahrer an, um ihn nach dem Weg zu fragen….und bekommen ein Taxi dorthin…also nicht direkt, es ist eine Wiese, die zu einem Freibad gehört und die dem Mann zu gehören scheint, wenn wir seine Bruchstücke richtig verstehen. Nun gut, wir zelten also mehr oder weniger direkt in der Stadt, was uns doch etwas seltsam vorkommt aber im Endeffekt war das nicht schlimm, es hat sich zumindest niemand beschwert.
Für den darauffolgenden Tag haben wir uns nicht viel vorgenommen, nur ein paar Kilometer laufen. Unser Ziel ist ein schöner Lagerplatz für einen weiteren Ruhetag. Den wir idealerweise mit einem phänomenalen Gespür finden. Und so kommen wir 5 Tage vor der Abreise doch mal zum Kartenschreiben, wenn auch wieder nicht zum polnisch lernen. Wieder waschen wir uns und unsere Sachen im See und es gibt eine im Topfdeckel zubereitete Eierkuchentorte.
Mit leichtem Bedauern verlassen wir diesen schönen Ort am nächsten Morgen aber wir wollen auch weiterziehen. An diesem Abend finden wir eine schöne Wiese für die Nacht, wo wir es noch einmal wagen unter dem freien Himmel zu schlafen und diesmal auch trocken bleiben.
Dieses Glück ist uns am Tag danach allerdings nicht vergönnt.Es regnet und wir sind trotz Regenschutzes nicht trocken geblieben. Wir schaffen es trotz des durchnässten Holzes ein Feuer anzuzünden und bleiben in der Kothe trocken.
Und der nächste Tag soll schon unser letzter sein.
Wir laufen in ein Dorf mit Busanbindung, fahren nach Sczecinek, unserem Ankuftsbahnhof, und laufen zu unserem ersten Lagerplatz und brauchen dafür halb so lang wie beim ersten Mal.
Doch unser letzer Abend bringt uns noch einmal fast zum Verzweifeln. Das Holz ist nass und so bekommen wir es zum ersten Mal nicht hin ein Feuer zu entzünden, also kochen wir auf dem Gaskocher, den wir die ganzen 2 Wochen mitgeschleppt haben. Und der uns nun im Stich lässt.
So ist das Essen erst halb fertig als der Gaskocher leer ist. Also müssen wir doch noch ein Feuer anmachen, was uns nach einer gefühlten Ewigkeit auch gelingt.
Mit einigem Widerwillen bauen wir am nächsten Morgen das Zelt ab, das 2 Wochen lang unser Zuhause war. Wir machen uns auf den Weg zum Bahnhof und steigen in unseren Zug, der uns wieder zurück in die Zivilisation bringt. Die traurige Stimmung wird allerdings rasch von der Freude über fließendes Wasser auf den Zugtoiletten abgelöst.
Und Mitternacht sind wir wieder da. Im Erfurter Bahnhof, dort wo das Abenteuer vor 2 Wochen begann.
Ein Bericht von Katha, veröffentlicht am 14.12.2012